Aufgaben als Coach


Aus den vorangegangenen Überlegungen lassen sich die Aufgaben eines Coachs ableiten.
Die wahrscheinlich wichtigste Aufgabe eines solchen Helfers besteht zuallererst darin, einen geschützten Raum zu erzeugen. Der humanistische Psychologe und Begründer der klientzentrierten Gesprächspsychotherapie Carl Rogers benannte die Eigenschaften, die ein solcher geschützter Raum haben müsse, und wir ergänzen sie hier mit unseren Erfahrungen aus unserer Coachingarbeit:

Psychische Freiheit: Damit meint Rogers die Freiheit des Klienten, jede Gefühlsregung zeigen zu dürfen. Nichts braucht im Verborgenen zu bleiben, kein Gefühl – wie sehr dieses auch gesellschaftlich geächtet sei – ist verboten. Diese Freiheit wird erst vom Klienten angenommen, wenn der Therapeut, oder in unserem Fall der Coach, in der Lage ist, glaubhaft zu vermitteln, dass jedes gezeigte Gefühl mit der gleichen Wertschätzung, mit der gleichen Achtung und mit der gleichen Bewertungslosigkeit angenommen werden wird.

Angstfreiheit: Die Ursprünge der Verdrängung lagen im Klienten in aller Regel in der Angst, dass diese oder jene Eigenschaft, dieses oder jenes Gefühl zu Sanktionen führen wird. Zeigte also jemand seine Wut, wurde er dafür getadelt – und welches Kind will von Eltern oder ErzieherInnen getadelt werden? Zeigte ein Junge Tränen, wurde er verächtlich behandelt, belächelt oder von Gleichaltrigen gehänselt. Zeigte ein Mädchen Durchsetzungskraft, wurde das als unweiblich getadelt und so weiter. durch diese Erfahrungen wurde eine Disposition zur Angst vor eigenen Gefühlen und Eigenschaften erzeugt. Die Aufgabe des Coachs ist es hier, von Anfang an deutlich zu machen, dass innerhalb des geschützten Raumes weder mit Tadel, noch mit Verachtung, noch mit Vorwurf reagiert werden wird. Es gibt prinzipiell innerhalb des geschützten Raumes keinerlei Bestrafung und keine Herabsetzung.

Klare Definition des geschützten Raumes: Der geschützte Raum ist ein Setting mit klarem Beginn und klarem Ende, und mit klaren Spielregeln. Anfang und Ende sollten durch eine symbolische Handlung deutlich markiert werden. Innerhalb des geschützten Raumes befinden sich leicht zugänglich notwendige Utensilien, die Grundbedürfnisse abfedern, etwa Getränke, Taschentücher (falls Tränen fließen) und anderes. Wesentlich sind hier nicht die Details, sondern die klare Definition und die angstlösende Wirkung auf den Klienten.

Diese genannten Bedingungen stellen auch einige Herausforderungen an das Verhalten und die Einstellungen des Coachs. Rogers nannte in erster Linie drei solcher Eigenschaften:

Unbedingte Wertschätzung: Der Coach begegnet dem Klienten und all den Eigenschaften, die dieser zeigen mag, mit einer gleichbleibenden Wertschätzung. Die Betonung liegt hier auf dem Wort „unbedingt“. Diese Wertschätzung ist an keinerlei Bedingungen geknüpft. Der Klient muss nichts leisten, und braucht nichts zu verbergen. Da die Lösung der Probleme des Klienten in ihm selbst liegen, und nicht vom Therapeuten oder Coach vorgegeben werden können (er wären ja nur Lösungen, die für den Coach geeignet wären), müssen wir davon ausgehen, dass diese Lösungen in Bereichen liegen, die verdrängt und damit „verboten“ sind. Die Angstfreiheit des geschützten Raumes und die von dem Coach gelebte unbedingte Wertschätzung können es nun dem Coachee ermöglichen, in diese dunklen Felder seiner Psyche vorzudringen, dort die „Quellcodes“ seiner Konflikte erkennen, aber auch die entsprechenden Lösungen dort finden.

Kongruenz: Das Ziel eines Coachingprozesses ist es unter anderem eine Deckungsgleichheit von inneren Werten und äußerem Verhalten zu erzeugen. Um das erreichen zu können, muss auch der Coach kongruent sein. Was er sagt und tut, muss seinem realen inneren Empfinden entsprechen. Andernfalls würden sich widersprechende Botschaften ausgesendet werden, etwa durch Körpersprache, Mikroexpression in der Mimik und Gestik einerseits und Worten andererseits, und der Klient befände sich in einer klassischen Double Bind-Situation. Die Kongruenz des Coachs erzeugt ein Resonanzfeld, das den Klient mit einschließt. Die Offenheit und Authentizität des Coachs wirkt wie ein Katalysator auf den Klienten. Insofern ist der Coach weniger Führer, als vielmehr ein Beispiel und Spiegelbild, das in das Wahrnehmungs- und Interaktionsfeld des Klienten gesetzt wird.

Empathie: Es ist eine Kunst, auf intuitiv fühlende Weise wahrnehmen zu können, wie es dem Klienten geht. Empathie meint weder Mitleid, noch die landläufige Anteilnahme, sondern die Fähigkeit, auf intuitiv emotionale Weise wahrzunehmen. Den Sinnesorganen wird somit ein weiterer Wahrnehmungskanal hinzugefügt, die emotionale Wahrnehmung. Dabei ist dem Coach zu jeder Zeit bewusst, dass es sich um die Gefühle des Klienten handelt und nicht um die eigenen. Die Grundlage von Empathie ist das Verstehen, bzw. der aufrichtige Wunsch, das echte intrinsische Interesse, den Klienten in all seinen Facetten zu verstehen. So wird eine echte Verbindung – innerhalb des geschützten Raumes – möglich.

Im Falle unseres Beispiels des Musikers könnte der Klient in einem solchen Prozess verstehen, aus welchen Urgründen seine Angst kommt, könnte gewisse Eigenschaften in sich entdecken, die vormals sanktioniert worden waren (weil sie zum Beispiel den Eltern unangenehm gewesen waren), kann eigene Betrachtungen anstellen und die Eigenschaften stehen ihm als Musiker nun als Stärken zur Verfügung (zum Beispiel seine Sensibilität, sein feines Gehör, seine feine musische Ader, seine Sanftheit oder anderes).
Natürlich ist mit einer solchen Sitzung das Problem nicht gelöst. Die eigentliche Aufgabe des Klienten ist es nun in der Folge, sich selbst im Alltag zu reflektieren, neue Betrachtungen anzustellen, sich mit dem neuen Wissen um sich selbst auszuprobieren, Fehlschläge tolerieren zu lernen, also ganz allgemein die in den Coachingsitzungen im psychischen und emotionalen System entstandenen Veränderungen im Alltagsleben zu beobachten.